Anschlussbeiträge für Altanschließer – Bundesverfassungsgericht „kippt“ Brandenburger Rechtsgrundlage

Nahezu alle Brandenburger Grundstückseigentümer wurden in den vergangenen Jahren zur Kasse gebeten. Von den Grundstückseigentümern wurden Anschlussbeiträge für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen in den 1990-er Jahren erhoben, obwohl vielfach bereits in den 1990er-Jahren gezahlt worden war oder der Grundstücksanschluss bereits vor der Wende hergestellt worden war.

Nahezu alle Beitragssatzungen der Zweckverbände aus den Nachwendejahren waren fehlerhaft und damit nichtig. Mehrfach hatte der Brandenburger Landesgesetzgeber deshalb die Rechtsgrundlage, das Kommunalabgabengesetz (KAG), geändert, um eine Verjährung der Beitragspflichten zu verhindern. Ein regelrechter „Wettlauf“ zwischen den Gerichten und dem Gesetzgeber fand statt, am Ende schien sich der Gesetzgeber durchgesetzt zu haben. Zuletzt wurde der maßgebliche § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG im Dezember 2013 „angepasst“, nachdem das BVerfG eine ähnliche Regelung in Bayern gekippt hatte. Nach dieser letzten Neuregelung war die Verjährung der Anschlussbeiträge jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2015 gesetzlich ausgeschlossen. In den letzten Monaten sind in unzähligen Fällen auf dieser Grundlage noch Zahlungsbescheide ergangen.

8 Abs. 7 Satz 2 KAG verstößt gegen Rückwirkungsverbot des Grundgesetzes

Nun hat das BVerfG in einer soeben veröffentlichten Entscheidung vom 12.11.2015 (1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14) genau diese Brandenburger Neuregelung und auch die 2004 in Kraft getretene Vorregelung „gekippt“, indem es zwei gegen Eigentümer ergangene Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg aufgehoben und dabei festgestellt hat, dass die zuletzt eingeführte Neuregelung des KAG gegen das grundgesetzlich geschützte Rückwirkungsverbot verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Brandenburger Landesgesetzgeber dabei mit aller Deutlichkeit ins Urteil geschrieben: „So nicht!“.

Nicht jeder Grundstückseigentümer wird profitieren

Was geschieht nun mit den gezahlten Beiträgen? Es kommt darauf an, muss die Antwort lauten. Nicht jeder Eigentümer kann mit einer Rückzahlung rechnen, „automatisch“ dürfte es nur in den seltensten Fällen Geld zurück geben. Um die gezahlten Anschlussbeiträge zurück zu erhalten, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss nach der alten und bis Februar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes die sogenannte Festsetzungsverjährung eingetreten sein. Dies kann nur individuell geprüft und festgestellt werden, denn jeder Fall ist anders.

Bestandskraft sollte nicht eingetreten sein

Als zweite Voraussetzung sollten die z. T. erst in diesem Jahr ergangenen Beitragsbescheide nicht bestandskräftig geworden sein. Dies ist der Fall, wenn die Bescheide durch Widerspruch oder Klage angegriffen wurden und noch keine Entscheidung ergangen ist.

Für die zum Teil zum zweiten Mal zur Kasse gebetenen Grundstückseigentümer wird es sich nun „auszahlen“, wenn sie sich gegen die Heranziehungsbescheide gewehrt und Widerspruch eingelegt haben. In Einzelfällen kann dies sogar jetzt noch möglich sein. Dies ist der Fall, wenn Sie innerhalb des letzten Monats einen Bescheid erhalten haben.

In allen anderen Fällen, d. h. wenn die entsprechenden Heranziehungsbescheide nicht angegriffen wurden und/oder Widersprüche inzwischen bestandskräftig beschieden sind, kann nur versucht werden, über einen Antrag nach § 51 Abs. 1 VwVfG die Wiederaufnahme des Verfahren zu erreichen.

Wiederaufnahme beantragen

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet nun leider nicht, dass die rechtswidrig zur Kasse gebetenen Bürger zwingend ihr Geld zurückerhalten. Ob die ergangenen und gezahlten Bescheide aufgehoben werden, steht im Ermessen der Verwaltung. Insofern wird abzuwarten bleiben, wie die Zweckverbände und der Brandenburgische Landesgesetzgeber mit dieser neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes umgehen werden. Würden alle Altanschließerbeiträge zurückgezahlt werden, dürfte dies den einen oder anderen Zweckverband in größte Schwierigkeiten bringen.

Möglich, dass nur derjenige sein Geld zurückerhält, der sich aktiv darum bemüht.

Wenn Sie Anschlussbeiträge gezahlt haben und sich zu den Betroffenen zählen, stehen wir Ihnen für die Beratung und für eine Vertretung gegenüber den Zweckverbänden gern zur Verfügung.

Philipp Schürer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht