Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung
Risiken und Chancen
Jedes Jahr steigen die Prämien der privaten Krankheitskostenvollversicherung. Insbesondere, wenn das Einkommen aufgrund von Vorruhestand oder Rente sinkt, kann das zu finanziellen Problemen führen, der Lebensstandard wird beschnitten. Was ist die Lösung? Der Versicherungsnehmer versucht, die hohe Prämie des bisherigen äußerst gut ausgestatteten Tarifs mit vielen hervorragenden Leistung des Krankenversicherers durch eine deutlich geringere Prämie oder einen deutlich geringeren Selbstbehalt zu ersetzen. Dazu wechselte er in einen Tarif beim gleichen Versicherer, der eine günstigere Prämie vorsieht, was regelmäßig - jedoch nicht zwingend - mit geringeren Leistungen verbunden ist. Das Versicherungsvertragsgesetz sieht diese Möglichkeit ausdrücklich in § 204 VVG vor. Der Versicherungsnehmer stellt daher einen Antrag auf Wechsel und erhält vom Krankenversicherer ein Vertragsangebot für einen anderen Tarif.
Jetzt beginnen die Schwierigkeiten. Ein typisches Problem des Versicherungsnehmers in der privaten Krankheitskostenversicherung bei einem Tarifwechsel ist, dass der Versicherer das Risiko neu bewerten will und dazu eine Gesundheitsprüfung durchführt. In der Regel hat diese zum Ergebnis, dass der langjährige Versicherungsnehmer aufgrund während der letzten Jahre hinzugekommenen Erkrankungen in dem neuen Tarif einen Risikozuschlag zahlen soll. Der ist häufig so hoch, dass sich der Wechsel überhaupt nicht lohnt und der Versicherungsnehmer von seinem Wechselwunsch Abstand nimmt. Für den Versicherer ist das erfreulich, da der Wechselwillige im Bestand des alten Tarifes verbleibt und dieser nicht weiter ausdünnt. Auch spricht es sich herum, dass ein Tarifwechsel nicht zu einer geringeren Prämie führt. Andere Wechselwillige werden von Anfang an abgeschreckt.
Aktuelles Urteil des OLG Karlsruhe vom 14. Januar 2016, 12 U 106/15
Diese Praxis der Versicherer führt zu Rechtsstreitigkeiten. So hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass der beklagte Krankenversicherer Risikozuschläge nicht erheben könne. Zugrunde lag der Fall, dass ein Versicherungsnehmer seit 1983 einen Krankenversicherungsvertrag unterhielt, 10 Jahre später war seine Ehefrau als weitere versicherte Person in den Vertrag aufgenommen worden. Im Krankenversicherungsvertrag war ein Risikozuschlag nicht vereinbart. 2011 wechselte der Kläger mit seiner Ehefrau in einen vom Krankenversicherer vorgeschlagenen Tarif, wobei der Krankenversicherer sich die Gesundheitsprüfung vorbehalten hatte. Nach Gesundheitsprüfung erhob der Versicherer einen Risikozuschlag. Daraufhin hat der Versicherungsnehmer Klage erhoben und sich gegen diesen Risikozuschlag gewandt.
Ursprüngliche Bewertung des Gesundheitszustandes ist ein erworbenes Recht aus einem Krankenversicherungsvertrag nach § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HS 2 VVG.
Das OLG Karlsruhe gab dem Versicherungsnehmer Recht. Die Erhebung eines Risikozuschlages durch den Versicherer war falsch. Auf die in 1. Instanz noch vorgenommene Beweisaufnahme zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers und seiner Ehefrau im Hinblick auf den Wagniszuschlag kam es nicht an. Vielmehr stellt das OLG Karlsruhe darauf ab, dass zu den erworbenen Rechten aus dem ursprünglichen Krankenversicherungsvertrag auch die Bewertung des Gesundheitszustandes zählt, die der Versicherer ursprünglich bei Vertragsschluss vorgenommen hat. Es kam daher nicht auf den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers und seiner Ehefrau zum Zeitpunkt des Wechselwunsches 2011 an. Vielmehr war die Bewertung des Gesundheitszustandes bei Vertragsabschluss entscheidend, demnach für den Kläger 1983, für seine Ehefrau 1993. Der Versicherer sei zwar nicht gehindert, im Rahmen des Änderungsantrages eine Gesundheitsprüfung durchzuführen, wenn der so genannte Zieltarif für bestimmte Risiken die Vereinbarung eines Risikozuschlages vorsehe. Dabei muss der Versicherer aber den Gesundheitszustand zum Vertragsabschluss des Ausgangsvertrages zugrunde legen.
Grundlage der Risikoeinstufung in den Zieltarif ist stets der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Erstvertrages.
Da die beklagte Versicherung bei der Erhebung des Risikozuschlages auf den Gesundheitszustand 2011 abgestellt hatte und alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorerkrankungen berücksichtigt sehen wollte, war die Erhebung des Risikozuschlages rechtswidrig.
Das Urteil hilft all den Wechselwilligen in der privaten Krankenversicherung, die bereits einen langjährigen Vertrag haben und beim ursprünglichen Vertragsschluss keine für die Risikoeinstufung erheblichen Erkrankungen hatten.
Die während der Vertragslaufzeit aufgetretenen und neuen Erkrankungen dürfen vom Versicherer bei der Risikobeurteilung des neuen Tarifes nicht berücksichtigt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass diese obergerichtliche Rechtsprechung auch beachtet wird.
Jörg Schulze-Bourcevet
Fachanwalt für Versicherungsrecht