Rechtsschutzversicherung und freie Anwaltswahl

Update zur Entscheidung des OLG Bamberg

Urteil des OLG Bamberg

Das OLG Bamberg hatte in seinem Urteil am 20. Juni 2012-3U236/11 – das Recht auf freie Anwaltswahl gemäß § 127 VVG durch einen Rechtsschutzversicherer beeinträchtigt gesehen. Dieser hatte in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) ein Schadensfreiheitsystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung vorgesehen. Wer den Rechtsanwalt beauftragte, der vom Versicherer empfohlen wurde, musste keine oder nur eine geringere Selbstbeteiligung bezahlen. Das OLG Bamberg hielt diese Bestimmungen in den Vertragsbedingungen des Rechtsschutzversicherers für nicht mit dem Gesetz vereinbar, wir hatten darüber in unserem Blog berichtet.

Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof sah das Problem anders als das OLG Bamberg. Mit Urteil vom 4. Dezember 2013 hat der BGH (IV ZR 215/12) entschieden, dass die beklagte Rechtsschutzversicherung ihren Versicherungsnehmern finanzielle Anreize anbieten darf, damit die Versicherungsnehmer einen sogenannten Kooperationsanwalt wählt. Der Senat meint, dass der Versicherungsnehmer mit den konkreten finanziellen Anreizen nicht unzulässig unter Druck gesetzt wird. Der Bundesgerichtshof billigt damit das vom Deutschen Anwaltverein mit Nachdruck kritisierte Bonussystem der Rechtsschutzversicherer. Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung war vor allem auch die richtlinienkonformer Auslegung des § 127 VVG entsprechend des Europarechtes. Der EuGH hatte in einem Urteile bereits festgestellt, dass Rechtsschutzversicherer ihre Bedingungen so gestalten dürfen, dass die freie Anwaltswahl den Versicherungsnehmer mehr Geld kosten kann.

Der Gesetzestext des §§ 127 VVG, soweit hier von Belang, lautet:
„Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung im Gerichts-und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.“

Gemäß § 129 VVG darf zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Vorschrift des § 127 VVG nicht abgewichen werden. Eine solche Abweichung hatte das OLG Bamberg gesehen, der BGH nunmehr verneint.

Stellungnahme zum Urteil des BGH

Für die Versicherer ist das eine gute Nachricht. Sie sparen im Ergebnis Geld, da sie mit den Rechtsanwälten, mit denen sie Kooperationsverträge unterhalten, Sonderkonditionen zur Vergütung vereinbart haben. Der Versicherungsnehmer hingegen steht vor einem Entscheidungsdilemma. Folgt er der Empfehlung des Versicherers, seine Rechtsangelegenheit in die Hände eines Rechtsanwaltes zu legen, der mit dem Rechtsschutzversicherer einen Kooperationsvertrag geschlossen hat, ist das für seinen Versicherungsvertrag, die Selbstbeteiligung und Prämie, durchaus vorteilhaft. Der Versicherungsnehmer muss sich jedoch auch bewusst machen, dass der Rechtsanwalt, der mit den Rechtsschutzversicherer kooperiert, bei der Vertretung außergerichtlich oder im Prozess nicht ausschließlich die Interessen seines Mandanten im Blick hat. Vielmehr wird ein Kooperationspartner der Rechtsschutzversicherung immer auch die Interessen des Versicherers mitberücksichtigen müssen, und dessen Interesse liegt vor allem in einer möglichst geringen finanziellen Belastung durch den Versicherungsfall. Es stellt sich die Frage, ob der Kooperationsanwalt des Rechtsschutzversicherers ein riskantes, jedoch noch mit hinreichender Erfolgsaussicht versehenes Rechtsmittel einlegt oder eine kostenintensive Beweisaufnahme mit Gutachten beantragt, wenn das mögliche Ergebnis unsicher erscheint.

Unserer Auffassung nach sollte der Rechtsanwalt allein und nur den Interessen seines Mandanten verpflichtet sein, andere Interessen, insbesondere auch die des Rechtsschutzversicherers, dürfen bei der Vertretung keine Rolle spielen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist daher ein Schritt in die falsche Richtung.

Rechtsanwalt Schulze-Bourcevet
Fachanwalt für Versicherungsrecht

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