Abrechnung von Reparaturkosten in der Kaskoversicherung

Fiktive Abrechnung von Reparaturkosten in der Kaskoversicherung

Der Kaskoversicherer hat entsprechend der vereinbarten Versicherungsbedingungen Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug zu bezahlen, soweit diese als „erforderliche Kosten" anzusehen sind gemäß der Vorschrift von A.2.7.1b) der AKB 2008. Worin denn nun diese erforderlichen Kosten bestehen, war zwischen einem Versicherungsnehmer und seinem Fahrzeugversicherer streitig.

Urteil des BGH zu erforderlichen Reparaturkosten in der Haftpflichtversicherung

Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, in welcher Höhe dem Besitzer eines Mercedes Reparaturkosten zu zahlen sind. Der Versicherungsnehmer hatte sein Fahrzeug, offensichtlich einen älteren Mercedes, nach einem Unfallschaden nicht reparieren lassen. Er verlangte von seinem Kaskoversicherer den Ersatz der notwendigen Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Für seinen Anspruch legte der Mercedes-Besitzer das Gutachten eines Sachverständigen vor, in dem die Stundensätze einer Mercedes-Fachwerkstatt zu Grunde gelegt waren. Der Kaskoversicherer zahlte den Reparaturkostenaufwand nur nach einem von ihm eingeholten Gutachten zu den dort verzeichneten Lohnkosten einer ortsansässigen freien Werkstatt. Das Amtsgericht Berlin Mitte gab der Klage des Fahrzeugbesitzers auf Zahlung der Differenz zwischen dem regulierten Betrag und dem Kostenansatz der Mercedes-Fachwerkstatt statt. Das Landgericht Berlin wies die Klage auf die Berufung des Versicherers hin ab. Der Bundesgerichtshof hob in seiner Entscheidung vom 11.11.2015, IV ZR 426/14 das Urteil des Landgerichtes Berlin als Berufungsgericht auf und verwies zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Leitsätze des BGH zu den erforderlichen Reparaturkosten in der Kaskoversicherung

Für die weitere Entscheidung in diesem Fall wie auch in vergleichbaren Fällen stellte der Bundesgerichtshof klar, wann die erforderlichen Kosten auch die Kosten einer Markenwerkstatt sein können. Danach könne fiktiv in 3 Fallgruppen nach den Kosten einer Markenwerkstatt abgerechnet werden:

1. Ist es aus technischen Gründen erforderlich, dass in einer Markenwerkstatt repariert werden muss, dann sind die Kosten der Markenwerkstatt und nicht die niedrigen Sätze einer freien Werkstatt anzusetzen.

2. Die Reparaturkosten betreffen ein neues bzw. neuwertiges Fahrzeug.

3. Die Reparaturkosten betreffen ein älteres Fahrzeug, welches aber „scheckheftgepflegt" ist. Wenn der Fahrzeugeigentümer aufgrund seines Blickes auf den Werterhalt des Fahrzeuges sein Fahrzeug regelmäßig in einer Markenwerkstatt gewartet habe und das durch den Wartungsnachweis „Scheckheft" auch belegt werden kann, stehe ihm entsprechend seines Erwartungshorizontes auch der Reparaturersatz aufgrund der Stundensätze der Markenwerkstatt zu.

Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung weiter aus, dass der Versicherungsnehmer für diejenigen Umstände, die eine Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt als erforderlich erscheinen lassen, die Darlegungs- und Beweislast trägt. Da es im entschiedenen Fall keine technische Notwendigkeit gab, müsse der Versicherungsnehmer die alternativen Voraussetzungen seines Anspruchs vortragen und gegebenenfalls beweisen. Für die 3. Fallgruppe, der der Wagen ersichtlich angehörte, gab es dazu noch keine feststehenden Tatsachen, so dass der Bundesgerichtshof die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen hat.

Unterschiede zur Haftpflichtversicherung

Zu beachten bleibt, dass sich der Versicherungssenat des Bundesgerichtshofes in dieser Entscheidung zur Auslegung von Versicherungsbedingungen der Kraftfahrtversicherung bekannt hat. Auch wenn der Leser der Entscheidung möglicherweise Parallelen zur so genannten "VW-Entscheidung"des Haftungssenates des Bundesgerichtshofes sieht (BGHZ 183,21), unterscheiden sich beide Urteile sowohl vom Lösungsansatz als auch von der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erheblich. Der 4. Zivilsenat des BGH als Versicherungssenat sieht die Darlegungs- und Beweislast ausschließlich beim Versicherungsnehmer. Hier geht es um die Anspruchsvoraussetzung nach dem vereinbarten Versicherungsvertrag und den Versicherungsbedingungen. Der 6. Zivilsenat hatte hingegen die Grenzen des Schadensersatzrechtes und die Bestimmung des § 254 BGB als wesentliches Entscheidungsproblem, die Darlegungs- und Beweislast für das Mitverschulden liegt beim Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer. Interessant ist auch, dass in der Entscheidung des Versicherungssenates die ursprüngliche Dreijahresgrenze des Verkehrssenates keine Rolle mehr spielte, diese ist auch in der Rechtsprechung der Verkehrsgerichte zwischenzeitlich überholt.

Rechtsanwalt Jörg Schulze-Bourcevet
Fachanwalt für Versicherungsrecht