Regulierungsvollmacht der Kfz-Haftpflichtversicherung
Keine Erstattung von Gutachterkosten, mit denen der Versicherungsnehmer seine Unschuld bewiesen hat, durch den Haftpflichtversicherer
Ein typischer Fall in meiner Beratungspraxis ist mit der vermeintlichen Verursachung von Blechschäden und dem Regulierungsverhalten des Kfz Haftpflichtversicherers verbunden. Dem Mandant wird vorgeworfen, auf einem Parkplatz beim Rangieren einen Schaden verursacht zu haben. Weiter wird ihm vorgeworfen, den Unfallort verlassen zu haben, ohne Feststellungen zum Unfallhergang und zu seiner Beteiligung ermöglicht zu haben.
§142 StGB Unfallflucht … Eine weit reichende und einschneidende Vorschrift des Verkehrsstrafrechtes
Der Mandant sieht sich einem Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht ausgesetzt. Die Folgen können sehr weitreichend sein. Bei einem behaupteten Schaden von ca. mehr als 1.500 € droht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, im Falle einer Verurteilung der endgültige Entzug für zumindest 6 Monate. Wer sich diesem Vorwurf ausgesetzt sieht und einer Polizeivorladung oder Anhörung ohne anwaltliche Beratung Folge leistet, verhält sich naiv und blauäugig. Es nützt nichts, in einer Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter nach 6-8 Monaten überzeugend seine Unschuld darlegen zu können, wenn der Führerschein bis dahin vorläufig entzogen war. Weitere Folge dieses Vorwurfes ist ein Automatismus bei der eigenen Haftpflichtversicherung. Diese wird nach Regulierung des vermeintlich verursachten Schadens Rückgriff nehmen. Unfallflucht stellt eine so genannte Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Versicherung dar. Das bedeutet, dass dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet ist, für einen Schaden bis zu 5.000 € Regress beim Versicherungsnehmer zu nehmen.
Unfallflucht ist Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Versicherung
Der Mandant ist in einem richtigen Dilemma. Gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung hat er Aufklärungspflichten zu erfüllen und muss zu dem behaupteten Unfallhergang schnellstmöglich Stellung nehmen. Das ist auch in seinem eigenen Interesse. Es gilt, die Regulierung eines unberechtigt an ihn herangetragenen Schadens zu vermeiden. Die Folge wäre eine Höherstufung der Versicherungsprämie. Die weitere Folge könnte ebenfalls darin bestehen, dass der Versicherer Regress wegen der Obliegenheitsverletzung Unfallflucht nimmt. Auf der anderen Seite steht ihm gegenüber der strafrechtlichen Verfolgung das Recht zu schweigen zu, das er auch dringend wahrnehmen sollte. In der Praxis geschieht es häufig, dass die ermittelnden Polizeibeamten Kontakt zum Versicherer aufnehmen und dort nachfragen, welche Angaben der Versicherungsnehmer gemacht hat. Unabhängig von etwaigen Fragen des Datenschutzes wird die Auskunft durch den Versicherer in vielen Fällen erteilt, gelegentlich sogar auf telefonische Anfrage. Aufgrund all dieser Probleme sollte von Anfang an unter anwaltlicher Beratung koordiniert vorgegangen werden, um Schaden abzuwenden.
Regulierungsvollmacht des Versicherers
In den vertraglich vereinbarten Versicherungsbedingungen der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung ist immer vereinbart, dass der Versicherer als bevollmächtigt gilt, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren und berechtigte Schadensersatzansprüche zu begleichen. Letzteres bedeutet, dass es allein der Einschätzung des Versicherers obliegt, ob er den Schaden, wie von der Gegenseite behauptet, reguliert oder nicht. Insbesondere bei Bagatellschäden wird der Versicherer regulieren. War das versicherte Fahrzeug und der Versicherungsnehmer am Unfallort und gibt es möglicherweise noch Zeugen, die den vermeintlichen Unfall gesehen haben, ist die Zahlung durch den Versicherer nicht zu vermeiden. Der Versicherer trifft eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Er wird sich nicht auf allein auf die Angaben des Versicherungsnehmers verlassen, im Gegensatz zu einem Rechtsanwalt vertritt er nicht die Interessen seines Versicherungsnehmers.
Gerichte bestätigen die Regulierungsvollmacht des Kfz-Versicherers
Häufig wollen sich die Versicherungsnehmer mit der Entscheidung des Versicherers nicht abfinden. So gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe eines Unfallrekonstruktionsgutachtens zu beweisen, dass der Unfallschaden so wie behauptet nicht stattgefunden hat. Auch in den Fällen, in denen sich die Entscheidung des Versicherers im Nachhinein als objektiv falsch erweist, haftet dieser jedoch nicht gegenüber seinem Versicherungsnehmer auf Kostenerstattung. So hat z. B. das Amtsgericht München am 5. Juli 2013, 331 C13903/12, die Klage des Versicherungsnehmers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer auf Erstattung der Gutachterkosten für ein Unfallrekonstruktionsgutachten abgewiesen. Der Versicherungsnehmer hatte mit einem Unfallrekonstruktionsgutachten nachgewiesen, dass er einen Schaden von ca. 1.000 €, den der Versicherer bereits reguliert hatte, nicht verursacht hatte. Die Kosten dieses Unfallrekonstruktionsgutachtens wollte er vom Versicherer erstattet erhalten. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Kfz-Versicherer keine Pflichtverletzung begangen hatte. Der Versicherer darf selbstständig entscheiden, ob er einen Schaden reguliert oder nicht und ist nicht daran gebunden, was ihm sein Versicherungsnehmer zum Schadenshergang mitteilt. Entscheidend für das Regulierungsverhalten des Versicherers ist allein, welche Erkenntnisse er selbst zum Zeitpunkt der Regulierung des Schadens gewonnen hat. Der Ermessensspielraum des Versicherers ist weitgehend, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen dabei eine Rolle spielen. Vorliegend gab es Zeugenaussagen, die den Schadenshergang des Anspruchstellers stützten. Bei der Höhe des Schadens war dem Versicherer das wirtschaftliche Argument zuzugestehen, keine weiteren eigenen Ermittlungen anzustellen, insbesondere kein eigenes Gutachten einzuholen.
Die gerichtlich bestätigte Regulierungspraxis der Versicherer insbesondere bei so genannten Bagatellschäden zeigt deutlich, dass es leider häufig nicht auf objektive Wahrheiten und Gewissheiten ankommt. Wer im Zusammenhang mit seinem eigenen Fahrzeug eine Vorladung von der Polizei erhält, insbesondere auch als Zeuge, sollte sich von Anfang an um anwaltliche Hilfe bemühen. Es können schwerwiegende und einschneidende Maßnahmen sowohl für die eigene Fahrerlaubnis wie auch das eigene Vermögen drohen. Aufwendungen, die der unter Verdacht geratene Fahrer zum Zwecke des Nachweises eigener Unschuld macht, können im Ergebnis vergebens sein.
Jörg Schulze-Bourcevet
Fachanwalt für Versicherungsrecht